Zu meiner Person

Bernd Wildemann

Lebenslauf

Ich wurde am 21. Januar 1943 in Skawina, einer Kleinstadt etwa 20 km südwestlich von Krakau, geboren. Zwei Jahre vor mir war meine Schwester Christine geboren worden. Unser Vater Maximilian Wildemann leitete dort nach einem kaufmännischen Werdegang die Niederlassung bzw. die Fabrik der schwäbischen Kaffeefirma „Franck und Kathreiner“. Unsere Mutter Martha Wildemann, geborene Küchel, hatte eine Ausbildung als Sekretärin. Nach der Hochzeit 1940 war sie zu keiner Zeit mehr berufstätig. Beide Eltern stammten aus sogenannten volksdeutschen Familien, das heißt die Familien waren in Polen schon lange vor den Kriegen und Besetzungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Hause. Dementsprechend war unsere Familie in die polnische Gesellschaft gut integriert, zumal die Eltern Lebensabschnitte in Danzig und Warschau verbracht hatten. Bei Kriegsende flüchteten wir nach Westen und fanden in Bayern ein neues Zuhause, wo wir je vier Jahre in Bad Wörishofen, Regensburg und München lebten. 

1956 zogen wir nach Berlin-West, wo mein Vater eine Stelle im Vorstand der „Muratti-Cigarettenfabrik“ erhalten hatte. Wir lebten im Bezirk Wilmersdorf, Ortsteil Schmargendorf, nahe dem Grunewald. 1958 starb mein Vater. Meine Mutter lebte bis 1982. Ich wohnte bei ihr bis zu meinem Einzug in eine Pfarrdienstwohnung 1972. Ich besuchte die Walther-Rathenau-Schule, ein Real-Gymnasium, und machte dort nach einem Jahr als Austauschschüler in den USA in Kansas-City, Missouri, das Abitur 1962. Im Sommersemester 1962 studierte ich Mathematik und Theologie an der Freien Universität und wechselte zum folgenden Wintersemester an die Kirchliche Hochschule zum Vollstudium der Theologie. Von Sommersemester 1965 bis SS 1966, jeweils einschließlich, studierte ich in Tübingen. 1968 machte ich das Erste Kirchliche Examen in Berlin. Nach Vikariat und Zweitem Examen wurde ich 1971 ordiniert. Im Vikariat vor und im Entsendungsdienst nach dem Zweiten Examen lernte ich die kirchliche Arbeit in den Bezirken Steglitz, Wedding und Spandau kennen. 

Nach dem Entsendungsdienst in der „Ev. Gemeinde Am Hohenzollernplatz“, Berlin-Wilmersdorf, erhielt ich dort 1972 eine Pfarrstelle, so dass ich neun Jahre im Gemeindedienst war, als ich 1977 an der Kirchlichen Hochschule Berlin eine Assistentenstelle für vier Jahre bei dem Neutestamentler Walter Schmithals erhielt. 1982 wurde ich promoviert zum Dr. theol. In den Jahren danach hatte ich in Bibelkunde und Predigtlehre Lehraufträge. Von 1993 bis 2013 war ich Mitglied im Prüfungsamt der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg (EKiBB), später von Berlin-Brandenburg – Schlesische Oberlausitz (EKBO), mit dem Schwerpunkt im Beisitz bei den Philosophieprüfungen und in der Beurteilung von Predigtarbeiten. Nach Vertretungsmonaten in der Lutherkirche, Berlin-Schöneberg, beginnend 1981, trat ich 1982 eine Pfarrstelle in der Matthäusgemeinde in Berlin-Steglitz an, die ich bis zu meiner Pensionierung im Jahre 2008 innehatte. In dieser Zeit war ich auch vier Jahre zuständig für die benachbarte Martin-Luther-Gemeinde. In diesen beiden Gemeinden halte ich auch über die Pensionierung hinaus abwechselnd etwa einmal im Monat einen Gottesdienst sowie gelegentlich Amtshandlungen und arbeite mit den jetzigen Pfarrstelleninhaberinnen bzw. Pfarrstelleninhabern zusammen.

1976 habe ich Helga Rondio geheiratet. In den folgenden sieben Jahren wurden unsere Kinder Bettina, Johannes und Maria geboren, die wiederum drei Enkel geboren haben. Wir haben bis drei Jahre vor meiner Pensionierung stets in einer Dienstwohnung neben der Kirche gewohnt. Dann sind wir nach Berlin-Wilmersdorf gezogen, wo wir jetzt nahe am Kurfürstendamm wohnen.

Berlin-Wilmersdorf, im November 2017


Mein theologischer Werdegang

Die Psychologen haben sicher Recht, wenn sie sagen, dass die Wurzeln für alle wesentlichen Fähigkeiten und Entscheidungen im Leben eines Menschen in dessen ersten und frühen Lebensjahren zu finden sind. Mein Hineinwachsen in und meine Zustimmung zum christlichen Glauben dürfte weitgehend darin begründet sein, dass ich eine ungewöhnlich glückliche Kindheit und Jugend hatte. Ich bin zwar noch in der Kriegszeit geboren, hatte aber keinerlei Kriegs- oder Fluchterinnerungen mehr. Meine Kindheit war entscheidend davon geprägt, dass das Familienleben mit meinen Eltern (zu meiner Geburt 36 und 40 Jahre alt) und meiner zwei Jahre älteren Schwester ganz von Liebe und Fürsorge geprägt war. Unsere Eltern hatten zwar als Flüchtlinge allen Besitz verloren, aber dadurch, dass unser Vater sehr bald wieder in seiner leitenden kaufmännischen Stellung tätig sein konnte, hat es uns an nichts gefehlt. Dazu kam, dass ich immer gerne gelernt habe und stets der Klassenbeste (leider in einer reinen Jungenschule) war, eine Ehre, die ich mir in der Mittel- und Oberstufe mit einem meiner besten Freunde geteilt habe. Da ich auch im Sport einer der Besten war, wurde mir nie das Bild eines Strebers angehängt. So dürfte ich einer der wenigen Glücklichen sein, die nie irgendeine Schwierigkeit mit einem Lehrer oder Klassenkameraden hatten. 

Die Entscheidung im 1. Semester zur Abkehr von meinem Lieblingsfach Mathematik und zur vollen Hinwendung zur Theologie hat wohl einen emotionalen und einen rationalen Grund. Der emotionale war das Gefühl der Dankbarkeit gegenüber Gott, der mir seit den Kindheitsjahren als lebendiges, schenkendes Gegenüber aufgegangen war, und die Hoffnung, möglichst vielen Menschen durch Rede von Gott helfen zu können. Der rationale Grund ist, dass seit etwa der 8. Klasse die europäische Geistesgeschichte wie ein berauschender Wasserfall über mich gekommen war. Das geschah im Wesentlichen in einem sehr guten Deutschunterricht mit einem zweimaligen Durchgang durch die deutsche Literaturgeschichte, in den höheren Klassen mit dem Zunehmen der Sprachkenntnisse dann auch in Englisch und Französisch. Ich erkannte: Hier geht es ja um die Grundfragen des Menschseins! Eigenem Verlangen folgend kaufte ich mir Taschenbuchausgaben (die „Fischer-Taschenbücher“ der 50-er-Jahre) von den bzw. über die großen Philosophen. Mit Absicht wollte ich den bekanntesten Gegner des christlichen Glaubens, Friedrich Nietzsche, kennenlernen. Daraus wurde ein lebenslanges emotionales Verhältnis in Bewunderung seines Mutes zu Einsamkeit und in Betrübnis über seinen verengten Blick auf das Christentum.

In unserem bürgerlichen Hause spielte das Verhältnis zur Kirche keine besondere Rolle, das volkskirchliche Verhältnis war aber durchaus vorhanden, das heißt die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche, das Wahrnehmen der kirchlichen Amtshandlungen und das Beachten der christlichen Ethik, worunter vor allem das Halten der Zehn Gebote sowie Pflichterfüllung und Fleiß verstanden wurden. Das Verhältnis zur Kirche entwickelte sich bei mir dadurch, dass ich vom sporadisch besuchten Kindergottesdienst bis zum Konfirmandenunterricht freundliche und überzeugende Pfarrer hatte. Im Studium ergab sich dann ein fast freundschaftliches Verhältnis zu meinem Gemeindepfarrer, der ungewöhnlich zurückhaltend und kurz, aber sehr durchdacht predigte. Wir trafen uns gelegentlich zum Schachspiel bis lange nach Mitternacht bei einem Glas Rotwein. Das eigentliche Anliegen, das ich bei allem Hören auf Literatur, Naturwissenschaft und kirchliche Überlieferung hatte, war nicht weniger, als hinter das Rätsel von Welt, Natur und menschlichem Leben zu kommen.

Im Religionsunterricht in Berlin merkte ich sogar schon als Dreizehnjähriger, dass er hier sehr viel lockerer mit der Schule verbunden war als in Bayern. Aber auch in diesem Bereich hatte ich Glück, indem ich dort wie hier gute Religionslehrer hatte. In Bayern waren es überwiegend väterliche Männer, die aber durchaus auf Stoffvermittlung bedacht waren, in der Oberstufe in Berlin ein „Katechet“ (ein Wort, an das ich mich nie gewöhnen konnte), der uns die neuere Theologie vermittelte. So ließ er uns, pädagogisch sehr fortschrittlich, Vorlesungen von Hellmut Gollwitzer an der Freien Universität als Gesprächsgrundlage von Band hören. Ich war begeistert, dass das Fach “Religion“ (als das ich es immer noch verstand trotz der Berliner Sprachregelung „christliche Unterweisung“) derartig ebenbürtig neben die wissenschaftlichen Fächer treten konnte! Das sollte auch für mich persönlich wichtig werden: In meinem Mathematik-Semester (SS 1962) hörte ich eine Vorlesung von Gollwitzer über „Die biblische Urgeschichte“; das trug nicht unwesentlich zu meinem Entschluss zum Übergang in das Vollstudium der Theologie bei.

Mein Vater erkrankte im Alter von 53 Jahren an Kehlkopfkrebs. In der Zeit von Herbst 1957 bis zu seinem Tod im März 1958, als mir als Vierzehnjährigem die Diagnose und der Ernst der Krankheit bewusst wurden, entstand in mir ein starkes persönliches Verhältnis zur Bibel, nachdem mir bereits in den Kindheitsjahren ein solches zu Gott, den ich je nach Alter zunehmend „verstand“, geschenkt worden war. Insbesondere Verse aus Jesaja, Kapitel 54 und 55 sowie Aussagen im Neuen Testament über die Überwindung des Todes und Gottes neue Welt empfand ich als zu mir persönlich gesprochen. Dazu kam, dass ich von Ende 1956 bis Anfang 1958 an der Kreuzkirche in Berlin-Wilmersdorf zum Konfirmandenunterricht ging, im ersten Jahr bei dem als gelehrt ausgewiesenen Pfarrer Dr. Herbst, nach dessen Tod bei dem am Anfang seines Dienstes stehenden Pastor Sadelkow, der mich dann in der Konfirmationspredigt, ohne Namensnennung, als Beispiel für einen dem Glauben aufgeschlossenen Jugendlichen nannte. Die Erlebnisse dieser Zeit waren eine wesentliche Grundlage für die Studienentscheidung 1962.

Da meine Schule, das Walther-Rathenau-Gymnasium, ein Real-Gymnasium mit der Sprachenfolge Englisch (5. Klasse), Latein (7. Kl.) und Französisch (9. Kl.) war (Es gab auch einen nat.-wiss. Zweig ohne dritte Sprache), wollten auf der „Kirchlichen Hochschule“ in Berlin-Zehlendorf, die die Funktion und Rechte einer Evangelischen Fakultät wahrnahm, noch das Graecum und das Hebraicum gemacht werden. Das Große Latinum hatte ich von der Schule mitgebracht. Ein gewisses Erschrecken am Studienbeginn war für mich weniger die Anforderung in den Sprachen, die zwar nicht gering, aber mit Einsatz erfüllbar war, als vielmehr die Tatsache, dass das Studium der Evangelischen Theologie weitgehend (sagen wir zu ca. 85%) aus historischen und philologischen Studien bestand! Sehr bald tat sich dann auch, jedenfalls im subjektiven Empfinden, die Kluft zwischen den Ergebnissen der historisch-kritischen Forschung und dem an der „Dogmatik“ orientierten Glauben auf! Das war ein von Vielen empfundenes, durchaus auch diskutiertes und nicht selten zum Studienabbruch führendes Problem, das seinen Niederschlag etwa in dem kursierenden Spruch fand: „Wer im 5. Semester nicht Atheist ist, hat schlecht studiert!“ Wegen meiner Bindung im christlichen Glauben und meiner Zielsetzungen mit der Studienentscheidung, wollte ich nun aber durchhalten. 

Eine wesentliche Hilfe dabei war, dass ich meinem Interesse an den Grundfragen des Lebens in philosophischen Lehrangeboten nachkommen konnte. So hörte ich in jedem Semester bei dem beliebten Inhaber des philosophischen Lehrstuhls an der Kirchlichen Hochschule, Wolfgang Müller-Lauter, und nahm etliche Vorlesungen an der Freien Universität bei den Philosophen Dieter Henrich und Wilhelm Weischedel wahr. Müller-Lauters Spezialgebiet war die Geschichte des Atheismus in der Neuzeit mit dem Schwerpunkt auf Nietzsche. Bei Henrich hörte ich vor allem Philosophische Ethik und bei Weischedel, der berechtigterweise den Ruf eines weisen alten Gelehrten hatte, den großen Dialog mit Gollwitzer über „Denken und Glauben“. Gollwitzers Theologie wurde für mich an der Kirchlichen Hochschule ergänzt durch den Dogmatiker Heinrich Vogel, der zwar konservativ, aber durch seine Nähe zu Dichtung und die Emotionalität seines Vortrags nicht uninteressant war. Im Fach „Neues Testament“ lernte ich vor allem bei dem sehr freundlichen Ulrich Wilckens, der später seine Übersetzung des NT herausgab und in der Lübecker Kirche Bischof wurde. Der am Anfang seiner Laufbahn stehende Hebräischlehrer und Leiter des Proseminars Lothar Perlitt und der auf seinen ersten Lehrstuhl berufene Diethelm Michel weckten in mir besondere Freude am Alten Testament und speziell auch an Hebräisch. Dieses blieb mein Pfarrerleben lang eine Art „Hobby“ von mir wegen seines „mathematischen Aufbaus“ (Die Zeit-, Haupt- und Eigenschaftsworte werden jeweils ausgehend von drei Konsonanten gebildet. Und: Der Fülle des im AT Erzählten dient die Verblehre, die nicht nur Aktiv und Passiv, sondern für jedes Zeitwort 5 bis 8 solcher „genera verbi“ kennt.) und der Bedeutungsfülle zentraler biblischer Worte. So lese ich bis heute nicht nur den täglichen Herrnhuter Lehrtext aus dem NT auf Griechisch, sondern auch das Losungswort aus dem AT auf Hebräisch. Angesichts der strengen Forderung, die letztlich die Dogmatik und die Auslegung des NT erhoben, empfand ich das AT mit seinem Blick in die freilich oft schuldbeladene Weite des menschlichen Handelns als eine gewisse Erleichterung und Entspannung. In diese Richtung wirkten gerade in den schwierigen ersten Semestern (siehe oben: Glauben und Historie) auch die Vorlesungen des Kirchengeschichtlers Walter Delius, insofern er uns stets auch die Frömmigkeitsgeschichte in ihrer Eigenwilligkeit gegenüber der Dogmatik und damit die große Weite des menschlichen Bedürfens, Suchens und Feierns im Bereich der Religion vor Augen führte. 

Ich als „Berliner“ durfte in meinem 7. bis 9. Semester in Tübingen ein ganz anderes universitäres Umfeld kennenlernen. Die Stadt mit damals (1965 – 1967) ca. 60000 Einwohnern und ca. 10000 Studenten (darunter um die 1500 Theologiestudenten) war weitgehend vom universitären Leben bestimmt. Für einen mit der deutschen Geistesgeschichte lebenden jungen Menschen war hier der Geist Hölderlins, der Geist des deutschen Idealismus und der Geist der protestantischen Gelehrsamkeit gegenwärtig. Mehr als in der Großstadt wirkte auf das Geistesleben der geographische Rahmen ein, hier in Tübingen der Neckar, der Schlossberg und die Nähe der Schwäbischen Alb. - Der Theologischen Fakultät gehörten sehr gesuchte Professoren an, so Ernst Käsemann (Neues Testament), der im Festsaal lesen musste, damit die Hörer Platz fanden. Bestimmender für mich wurden Otto Michel (Neues Testament), dessen Hauptvorlesung ich in allen drei Semestern besuchte, und Gerhard Ebeling (Systematik), bei dem ich während aller drei Semester an Hauptvorlesung und Seminar teilnahm. Otto Michel konnte einem das Palästina der Zeit Jesu dank seiner judaistischen Kenntnisse lebendig vor Augen erstehen lassen, und so verdanke ich ihm die entscheidende Erkenntnis, die für einen im traditionellen christlichen Glauben großgewordenen Theologiestudenten irgendwie ganz neu war: Jesus war ein Mensch! - Gerhard Ebeling vermittelte uns die Lehren der Reformation mit bis ins Einzelne gehender Analyse von (meist lateinischen) Schriften Martin Luthers und Philipp Melanchthons. Gerhard Ebeling war sich nicht zu schade, mit kleinen Gruppen der Evangelischen Studentengemeinde, zu der auch ich gehörte, Wanderungen zu machen, obwohl er doch im Hörsaal wie ein Grand Seigneur oder Gentleman wirkte. Deswegen war die beginnende Studentenbewegung mit seinem Wesen unvereinbar, und ich erlebte mit, wie er einen Vertreter der Studentenschaft, der ihm in seinem Arbeitszimmer entsprechende Forderungen vortrug, hinauswarf. – Ich durfte in den letzten beiden Semestern seiner Lehrtätigkeit von der Weisheit des Kirchengeschichtlers Hanns Rückert profitieren. Sie spiegelt sich zum Beispiel in zwei Sätzen von ihm, die ich annähernd wörtlich in Erinnerung habe: „Es ist immer wieder bewegend zu sehen, wie sich der an der griechischen Philosophie geschulte Geist der Kirchenväter an dem Versuch, eine denkgerechte Christologie zu entwickeln, die Flügel bricht.“ Und: „Jahrzehnte-, mitunter jahrhundertelang, gärt und rumort das Neue unter der Oberfläche, und eines Tages wacht die Welt auf und sie ist überflutet vom Neuen!“

Die letzten drei Semester, das 10. bis 12., waren bestimmt von der Vorbereitung auf das Erste Examen. Dabei konnte ich aber auch Schwerpunkte in mir naheliegenden Themenfeldern setzen. So hörte ich wieder AT bei Diethelm Michel und jetzt auch bei Rudolf Smend. Bei Wolfgang Müller-Lauter nahm ich teil an einem Seminar über Hegels Religionsphilosophie. So fortgeschritten im Studium wusste ich aber, dass für den christlichen Glauben die Lehre von Jesus Christus Grundlage und Mitte ist. Darum gehörte ein Großteil der Arbeitszeit, auch vor und nach dem betreffenden Semester, dem Vertiefen in die „Dogmengeschichte der Alten Kirche“,
zu welchem Thema ich ein Seminar bei Walter Delius besuchte. Speziell für das Examen eignete ich mir noch Kenntnisse auf dem Gebiet der Mission („Berliner Missionswerk“) und der Entstehung der Ökumene an.

Im November 1968 machte ich das Erste Kirchliche Examen.

Die Leitung der „Ev. Kirche von Berlin-Brandenburg, Bereich Berlin-West“ hatte dem Druck der Studentenbewegung nachgegeben und die Ausbildung auf dem Predigerseminar eingestellt. Stattdessen wurden neue Ausbildungsphasen und andere Formen der Begleitung der „Kandidaten“ erprobt. Diese konnten je nach Leiter auch hilfreich und fruchtbar sein. Wie früher gab es vor dem Gemeindevikariat eine Zeit der Hospitation im Religionsunterricht. Hier erlebte ich zum einen, wie schwer die Situation des RU in Berlin aufgrund der besonderen rechtlichen Bedingungen war, und zum anderen, dass ein Gelingen ganz von der Kraft und dem pädagogischen Können der Lehrerin oder des Lehrers abhing.

Für das Gemeindevikariat wurde ich in die Matthäusgemeinde in Berlin-Steglitz zu Pfarrer Wolfgang Günther Friedrich geschickt. Das sollte wegweisend für einen großen Teil meines weiteren Pfarrerlebens werden, denn dort sollte ich später von 1982 bis 2008 Pfarrer sein. Im Gemeindevikariat dort von Frühjahr 1969 bis Sommer 1970 lernte ich die „Volkskirche“ in ihrer besten Form kennen. Durch das Zusammenkommen von in Predigt und Seelsorge besonders guten Pfarrern sowie in Gemeinde- und Konzertarbeit besonders fleißigen Kirchenmusikern einerseits und einer für die Kirche günstigen soziologischen Bevölkerungsstruktur (bürgerlich bis gut bürgerlich) andererseits konnte hier die volkskirchliche Struktur länger als andernorts aufrechterhalten werden. Mein „Vikarsvater“ Friedrich trug ganz wesentlich dazu bei. Seine Arbeit war ganz von Liebe zu den ihm Anbefohlenen bestimmt. Er war Charismatiker und gelehrter Theologe (geprägt von der progressiven Bultmann-Schule; ständig Buchbesprechungen im Gemeindeblatt, das eine Auflage von mehr als 10000 hatte) zugleich. Er hielt Hausbesuche und gut vorbereitete Amtshandlungen neben der Predigt für die Säulen der Gemeindearbeit. Seine Arbeitszeit reichte bei höchstens drei kurzen Pausen von 7 Uhr früh bis 22 Uhr abends, und dann sagte er oft zu mir: „So, Bruder Vikar, nun gönnen wir uns ein Glas Rotwein!“ Einmal in der Woche gingen wir in ein Dachzimmer, um ungestört zwei Stunden lang das Neue Testament auf Griechisch zu lesen! Die Gemeinde bot am Wochenende 4 Gottesdienste an, einen am Sonnabendabend, am Sonntag einen Frühgottesdienst, den Hauptgottesdienst und den Kindergottesdienst. Alle 14 Tage kam ein fünfter dazu: in einem Altenheim. Gelegentlich gab es zusätzlich Gottesdienste in anderen Altenheimen, von denen es sechs in der Gemeinde gab. Das Verständnis, das Pfarrer Friedrich von Gott und Mensch hatte, kommt gut in einem kurzen Dialog zwischen einem etwa 8-jährigen Mädchen und ihm zum Ausdruck. Das Mädchen: „Wo ist denn der liebe Gott?“ Pfarrer Friedrich zeigt mit dem Finger auf die Brust des Mädchens und sagt: „Da ist er!“ Das Mädchen: "Und wie ist das bei den Menschen, die nicht an ihn glauben?“ Pfarrer Friedrich: „Da ist es genau so, nur sie wissen es nicht.“

Ich lernte auch dazu durch Gespräche mit einem anderen, eher konservativen, aber menschlich sehr aufgeschlossenen Pfarrer in der Gemeinde, dessen Nachfolger ich 1982 werden sollte. Für mich war es nicht uninteressant, in ihm einen der „Spätberufenen“ kennenzulernen, die sich durch die Erlebnisse im Krieg und in der Gefangenschaft zum Verkündigungsdienst berufen wussten. – Gegen Ende der Vikarszeit wurde ich in die Ostergemeinde in Berlin-Wedding versetzt. Auch hier fand ich intakte Strukturen vor und fleißige Pfarrer, die mich an ihren Erfahrungen teilnehmen ließen. Für mich war es eine Horizonterweiterung diese Gemeinde in einem Stadtbezirk kennenzulernen, der eine völlig andere soziologische Struktur hatte als Wilmersdorf und Steglitz: Hier wohnten viele Menschen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten. Bei meiner Aufgabe, Teile der Gemeindekartei zu überprüfen, lernte ich vier- bis sechsstöckige Häuser mit bis zu fünf Hinterhöfen kennen.

Im November 1970 machte ich das Zweite Kirchliche Examen. Die Ordination meines Examensjahrgangs war am 7. Februar 1971. Angesichts der Wahlmöglichkeit, sich auf die lutherischen, die reformierten oder die reformatorischen (= beide Textgruppen zusammen) Bekenntnisschriften ordinieren zu lassen, wählte ich die lutherischen.

Vor der Bewerbung um eine Pfarrstelle hatte man zwei Jahre Dienst als „Hilfsprediger“ zu leisten. (Heute gilt für diese Zeit der bessere Begriff „Pfarrer im Entsendungsdienst“). Ich wurde an die Gnadenkirche in Berlin-Spandau geschickt. Da die Gemeinde unmittelbar am Ufer der Havel liegt und großenteils als Ausflugsgebiet gilt, lernte ich hier noch einmal eine soziologisch ganz andere Gemeinde kennen. Das Gemeindeleben musste sich weitgehend dem Freizeitverhalten der Menschen anpassen; So konnte Konfirmandenunterricht nur in den Monaten November bis April stattfinden. Von dem sehr freundlichen jungen Pfarrerkollegen konnte ich wiederum viel lernen. Ich hatte als besondere Aufgabe den Besuch von aus der Kirche Ausgetretenen übernommen. Das verschaffte mir einen guten Einblick in die Situation der Kirche nach der Aufklärung und nach der Religionskritik des 19. Jahrhunderts. Bei den Gesprächen, zu denen ich fast immer in die Wohnung gebeten wurde, kam mir meine gute Kenntnis der Geistes- und speziell auch der Philosophiegeschichte (Friedrich Nietzsche!) sehr zugute.

Nach einigen Monaten wurde ich an die „Kirche am Hohenzollernplatz“ in Berlin-Wilmersdorf, meinem Heimatbezirk, versetzt, wo eine von vier Pfarrstellen unbesetzt war. Ein Jahr später konnte ich mich um diese Pfarrstelle bewerben und erhielt sie. Da ich hier auf meine erste Pfarrstelle zu sprechen komme, in der ich einschließlich des Vertretungsjahres als Hilfsprediger 6 Jahre lang tätig war, möchte ich drei Grunderfahrungen nennen, die ich im Pfarrdienst machte. 1. Jesus Christus bzw. die kirchliche Verkündigung von ihm hat uns einen großen Kredit als Fachleute in Sachen des Verständnisses von Leben und Welt erworben! In aller Regel öffnen sich uns in seinem Namen die Türen, sowohl im vordergründigen Sinne des Einlasses in die Wohnungen als auch im tieferen Sinne des Aufnehmens der Botschaft von ihm zumindest zu ernsthafter Prüfung auf ihre Hilfe zur Bewältigung des Lebens. Allerdings hat sich die Situation in diesem Punkt in den vierzig Jahren, seit ich diese Erfahrung machte, zum Negativen verändert (Kirchenaustritte!). 2. Die Bedeutung der Gemeinden als Mittelpunkte sozialen Lebens, wo sich im Laufe der Woche viele Menschen in verschiedenen, großenteils ehrenamtlich betreuten Gruppen treffen, ist kaum zu überschätzen! Wenn man bedenkt, dass sich in der Großstadt viele solcher Zentren im Abstand nur weniger Kilometer, nicht selten nur einiger 100 Meter befinden, so dürfte die Kirche in ihrer sozialen Bedeutung an die Seite von Schule und Hochschule sowie Sport gestellt werden! 3. Eine Erfahrung ganz anderer, mehr psychologischer Art, ist folgende: Gerade ein mehr theoretisch bzw. „intellektuell“ ausgerichteter Theologiestudent ist überwältigt, wieviel „Aktivität“ ihm in der Gemeinde von „der anderen Seite“ entgegenkommt! Diese Aktivität hat ein weites Spektrum und reicht von eigenen Fähigkeiten, Interessen, Bedürfnissen und Fragen bis hin zu emotionaler Zuwendung. Kurz: Der Pfarrer hat es (wie freilich jeder andere Mensch im gesellschaftlichen Leben, nur kann gerade er es angesichts der Wucht und des „Eigenlebens“ wissenschaftlich-theologischer Fragen leicht vergessen) nicht mit Marionetten, sondern mit Menschen zu tun! In der „Hohenzollernkirche“ habe ich diese Erfahrung besonders intensiv in der Jugend- und Konfirmandenarbeit gemacht, und ich empfand sie als große Bereicherung, als ein Kennenlernen des „wirklichen Lebens“. Andererseits bedeutet das natürlich auch, dass es (wie überall) im Miteinander zu Konflikten kommen kann. Freilich sind pädagogische Probleme im Unterricht, die sehr belastend sein konnten, etwas anderes als Konflikte mit Mitarbeitern. Solche habe ich aber sehr selten gehabt, da ich immer gerne Kompromisse gemacht oder schlicht nachgegeben habe, ein Verhalten, das sich Führungspersönlichkeiten nicht erlauben können, ich aber aus verschiedenen Gründen bevorzugt habe.   

Eine Möglichkeit, tiefer in die Theologie einzudringen und eine Doktorarbeit zu schreiben, eröffnete sich mir, als mir der Neutestamentler Prof. Dr. Walter Schmithals anbot, bei ihm Assistent zu werden. Bevor ich die Bedeutung beschreibe, die er für meine Theologie gewann, sei noch ein Blick auf meinen weiteren Weg als Gemeindepfarrer geworfen. Als meine Zeit an der Hochschule beendet war, schickte mich das Konsistorium kommissarisch als Vakanzvertretung an die Luthergemeinde in Schöneberg, die in einem ausgesprochenen Problemgebiet lag: Es gab dort Hausbesetzer, Asylsuchende und Prostituierte; dazwischen aber eine lebendige, kleine Gemeinde. Ich gewann sie so lieb, dass ich meinte, dort bleiben zu sollen. Wohlmeinende Freunde redeten mir das im Blick auf meine andersgelagerten Fähigkeiten aber wieder aus, zumal sich eine Neubesetzung in der Luthergemeinde angekündigt und es bei meinem Antritt der Stelle bereits Gespräche mit meiner altvertrauen Matthäusgemeinde in Steglitz gegeben hatte. So begann ich dort im Jahre 1982 meinen Dienst, der dann bis zu meiner Pensionierung 2008 dauern sollte.

Als ich meine Arbeit neben zwei Kollegen, ca. 15 weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf dem Kirchengelände und ca. 15 Mitarbeiterinnen in der Kindertagesstätte bei ca. 10000 Gemeindegliedern begann, gab es in der Berliner ev. Kirche als Nachwirkung der 68-er-Bewegung einen heftigen Streit über das Verständnis des kirchlichen Dienstes. Eine Minderheit, die mehr „konservativ“ Predigt und Seelsorge und die Unterscheidung von kirchlicher und staatlicher Aufgabe betonte, stand die Mehrheit gegenüber, die „politische Diakonie“ und entsprechende Predigt, ja einen weitgehenden Ersatz des Wortdienstes durch Handeln forderte. Sehr vereinfachend gesagt: Die Kirche war gespalten in „Rechts“ und „Links“; theologisch gesagt: in Befürworter und Kritiker der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre; aus der Sicht der Minderheit gesagt: In Prediger nur der Ethik, das heißt des Gesetzes, und Prediger von Gesetz und Evangelium. Obwohl ich in der Bibelauslegung als „Bultmann-Schüler“ „modern“ und „progressiv“ war, stand ich in diesem „kirchenpolitischen“ Streit auf der Seite der Minderheit. Die genannte Auseinandersetzung, die auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens geführt wurde, konnte sehr anstrengend sein! Sie wirkte natürlich auch auf die Predigtarbeit ein, wobei die meisten Beteiligten aber in der Regel die Gegenseite oder gar Namen nicht ausdrücklich nannten!

Im Jahr 1968 war Walter Schmithals nach zehn Jahren Gemeindedienst in Raumland im Siegerland, nach Promotion, Habilitation und Dozentur aus Bonn auf einen der beiden Lehrstühle für Neues Testament an die Kirchliche Hochschule Berlin berufen worden. Er sollte für meinen theologischen Werdegang größte Bedeutung erlangen! Ich kann das jahrzehntelange Lernen bei ihm im Erwachsenenalter als „zweites Theologiestudium“ bezeichnen! Nach einer ersten (nicht besonders glücklich verlaufenen) Begegnung im Ersten Examen 1968 wurde ich 1971 in seine aus vier bis sechs Theologen bestehende Sozietät bei ihm zuhause eingeladen. Von dieser Zeit an bis zu seiner Emeritierung 1988 nahm ich auch die meiste Zeit an seiner in jedem Semester angebotenen Lehrveranstaltung „Arbeitsgemeinschaft zur Auslegung ausgewählter Predigttexte“ teil. Diese traf sich in jedem Semester mit einer entsprechenden des Alttestamentlers Antonius H. J. Gunneweg aus Bonn. So wurde dieser noch mein wichtigster (und sehr sympathischer) Lehrer im Alten Testament. 1977 bot mir Herr Schmithals seine Assistentenstelle an, die ich bis 1981 innehatte und zur Anfertigung einer Doktorarbeit mit dem Titel „Das Evangelium als Lehrpoesie. Leben und Werk Gustav Volkmars“ nutzte (39+568 Seiten, erschienen 1983 im Verlag Peter Lang als Band 1 der von Johannes Wirsching herausgegebenen Reihe „Kontexte. Neue Beiträge zur Historischen und Systematischen Theologie“). 

Herr Schmithals hatte Gustav Volkmar (1809 – 1883; Gymnasiallehrer in Kurhessen; Hochschullehrer im exegetischen Fach von 1853 bis zu seinem Tod in Zürich) „entdeckt“, als er an seinem Markuskommentar arbeitete, der 1979 im „Ökumenische(n) Taschenbuch-Kommentar zum Neuen Testament“ (ÖTK 2/1 und 2/2) erschien. Er wurde für Schmithals wichtig als einer der Ersten, die die Evangelien weniger als auf mündlicher Überlieferung, sondern mehr als auf theologischer Reflexion beruhend verstanden. Spitzensatz: Die Evangelien sind symbolische Lehrdichtung auf historischem Grunde. Insofern sah Schmithals in Volkmar einen Vorläufer seines Evangelienverständnisses.

Nach meiner Promotion hatte ich noch einige Jahre Lehraufträge in Bibelkund und Predigtlehre (Proseminar). Von 1993 bis 2013 war ich Beisitzer im Ersten Kirchlichen Examen, allerdings selten im Fach Neues Testament, dagegen regelmäßig im von mir stets geschätzten Fach Philosophie.

Durch Herrn Schmithals wurde ich 1978 Mitglied des deutschland-, ja europaweiten „Arbeitskreises Alter Marburger“. Dieser traf sich mit ca. 50 bis 70 Teilnehmern einmal im Jahr in der Ev. Akademie Hofgeismar. Er pflegte eine methodisch durchdachte Hermeneutik und war um ein Zusammenwirken von Exegese, Systematik und Philosophie bemüht. Von 1978 bis 1998 nahm ich die Funktion eines Sekretärs der Arbeitsgemeinschaft wahr. Wiederholt hielt ich eine der Morgenandachten und zweimal hielt ich einen der Hauptvorträge: a) 1988: „Zwei-Reiche-Lehre oder Königsherrschaft Jesu Christi. Karl Barths Ringen um das rechte theologische Reden von Gott angesichts der Herausforderungen der Zeit“; b) 1997: „Die Predigt der Rechtfertigung heute“. Da Walter Schmithals Leiter dieses Arbeitskreises war und der eben erwähnte Alttestamentler Antonius Gunneweg ebenfalls Mitglied, konnte ich von beiden auf diesen Tagungen insbesondere durch deren Vorträge lernen. Um Nachwuchs bzw. Studenten zu erreichen, wurde die Umwandlung in einen „e. V.“ beschlossen. So war ich 1998 Gründungsmitglied der „Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie“.

Die Theologie von Walter Schmithals zeichnet sich dadurch aus, dass sie von gründlichster wissenschaftlicher Analyse bis zu praktischer Auslegung reicht, ja dass beides gleichzeitig geschieht. Schmithals teilt mit Volkmar die Überzeugung: „Die wissenschaftliche Auslegung ist eo ipso eine praktische.“ Diese Überzeugung beruht auf der Grundlinie der Schriftauslegung Bultmanns bzw. seiner „Schule“, die mit dem Stichwort „existenziale Interpretation“ bezeichnet wird. Es besagt: In den Texten der Bibel geht es letztlich um Grundfragen der menschlichen Existenz. Je gründlicher ich auf den Text höre, desto näher bin ich an den Fragen meiner eigenen Existenz. Aus dieser Grundlinie folgt auch ein bestimmter Umgang mit den zahlreichen mythisch geprägten Texten der Bibel: Der mythische Text darf nicht als Geschichte oder gar Bericht weitergegeben werden, sondern der Mythos bzw. das Mythische muss in Richtung auf Existenzfragen ausgelegt werden. Das in der theologischen Debatte vielfach gebrauchte Stichwort „Entmythologisierung“ ist insofern missverständlich, ja falsch, als es nicht um Streichung der mythischen Texte geht, sondern um Auslegung, die gerade auf der Hochschätzung mythischer Ausdrucksweise beruht. So liegt eine besondere Stärke der Theologie von Walter Schmithals gerade auf der Auslegung der sogenannten „Wundergeschichten“.

So durfte ich bei Walter Schmithals eine große Bereicherung, ja in gewisser Weise einen Höhe- und Abschlusspunkt meines theologischen Werdeganges finden! Auf der Grundlage dieser Theologie habe ich mein Pfarramt geführt und insbesondere in „meinen Gemeinden“, der Matthäusgemeinde in Berlin-Steglitz, der Martin-Luther-Gemeinde in Berlin-Lichterfelde (und nicht zu vergessen die neun Monate in der Luthergemeinde Berlin-Schöneberg) gepredigt.      

Share by: